Quo Vadis PLM in SAP? Experteninterview mit Peter Vandrey (Cideon) und Benjamin Zorn (DSC)

Kompass auf einem Wanderweg

Die ERP- und PLM-Lösungen von SAP haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Im ERP-Bereich liegt der Fokus auf der Integration von SAP S/4HANA, aber auch der PLM-Bereich wurde um neue Möglichkeiten und (Cloud-)Funktionalitäten erweitert. Was bedeutet das für SAP Kunden? Im Interview mit Peter Vandrey (CIDEON Software & Services GmbH & Co. KG) und Benjamin Zorn (DSC Software AG) klären wir die wichtigsten Fragen.

Peter Vandrey, Cideon, und Benjamin Zorn, DSCPeter Vandrey, Cideon (links) und Benjamin Zorn, DSC (rechts)

Wie hat sich SAP ERP in den letzten Jahren weiterentwickelt?

Peter Vandrey: „SAP hat in den letzten Jahren die ERP-Funktionalitäten und -Anbindungsmöglichkeiten stark ausgebaut. Allein, dass es mit SAP S/4HANA nun drei Bereitstellungsoptionen – On-Premise, Private Cloud Edition und Public Cloud Edition – gibt, zeigt, dass SAP ihren Kunden mehr Flexibilität und neue technische Möglichkeiten anbietet, auch in der Cloud. Auslöser hierfür sind mit Sicherheit die gestiegenen Anforderungen auf Kundenseite, bestimmte Vorgänge im Engineering-Umfeld zusätzlich zur reinen Konstruktion durchzuführen. Vor allem im ‘Early Engineering’ lassen sich Funktionen aus dem Anforderungsmanagement, Ideenmanagement oder Model Based Systems Engineering nun viel besser abbilden. Die Weiterentwicklung von SAP Integrated Product Development auf der Business Technology Platform (BTP) verdeutlicht diese Bestrebungen der SAP im Engineering-Bereich. Außerdem verschiebt sich die Welt immer mehr in Richtung Cloud-Technologien und damit ändern sich natürlich auch die Anforderungen der Kunden, gerade im Engineering, wenn es um das Teilen von Informationen und die Collaboration in Projekten geht."

Benjamin Zorn: „Der Trend in Richtung Cloud ist klar und der Fokus der SAP auf Cloud-Technologie ist nachvollziehbar und sinnvoll. Cloud-native Applikationen bieten in heutigen Zeiten mehr Flexibilität und erleichtern Skalierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus nutzt die SAP diese strategische Ausrichtung, um Lücken im PLM-Bereich nahtlos zu schließen. Früher mussten die meisten Kunden lediglich CAD-Daten verwalten, heute möchten sie ein ganzheitliches Product Lifecycle Management (PLM) abbilden. SAP denkt PLM End-to-End, also von der ersten Idee bis zur Produktabkündigung, und nutzt den technologischen Wandel, um Funktionen anzureichern und zu erweitern.”

Welche Vorteile bietet ein ERP-Wechsel von SAP ECC bzw. R/3 auf SAP S/4HANA?

Peter Vandrey: „Wer technologisch auf dem neuesten Stand bleiben will, sollte zeitnah auf SAP S/4HANA umsteigen. SAP ECC wird nicht mehr weiterentwickelt, der Support läuft auch mit der letzten Verlängerungsoption im Jahr 2033 vollständig aus. Funktionserweiterungen und neue Features werden ausschließlich für SAP S/4HANA entwickelt. Auch hybride Szenarien und individuelle, auf den Kunden zugeschnittene Lösungen wird es nur noch für SAP S/4HANA geben. Im PLM-Bereich können wir diese Umstellung erleichtern, indem wir zum Beispiel die Engineering-Welt vor dem eigentlichen ERP-Update auf SAP S/4HANA umstellen. Durch diese Auslagerung wird die eigentliche ERP-Umstellung vereinfacht.”

Benjamin Zorn: „SAP S/4HANA bringt einige technologische Vorteile gegenüber SAP ECC mit sich, die Datenbanktechnologie ist zum Beispiel eine ganz andere. Die neue In-Memory-Datenbanktechnologie bietet deutliche Verbesserungen hinsichtlich Performance. Auch im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) gibt es schon heute mit dem KI-Assistenten Joule Unterstützung in SAP S/4HANA, das wird sich in Zukunft mit Sicherheit noch verstärken, auch im Engineering-Bereich. Es ist wichtig, dass Kunden heute schon die Datengrundlage schaffen, um später von diesen Innovationen profitieren zu können.”

Viele Kunden zögern, wenn es um die Cloud geht. Welche Vorteile bieten Cloud-Technologien gegenüber On-Premise-Installationen?

Benjamin Zorn: „Der große Vorteil von Cloud-Technologien ist, dass der gesamte Betrieb ausgelagert wird. Der Kunde muss also intern keine Ressourcen für das Systemhosting aufbringen. Aufwände für Hardware, Installation und Wartung fallen bei nativen Cloud-Systemen und beim Cloud-Hosting weg. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel können die oft spärlichen Ressourcen in der IT besser genutzt werden. Cloud-Anbieter, wie etwa SAP, haben diese Ressourcen und kümmern sich tagtäglich um die Instandhaltung Ihres Systems. Auch, wenn heute noch viele Unternehmen skeptisch sind und ihre Produktdaten als ‘Schatz des Unternehmens’ nicht weggeben möchten: Sind die Daten wirklich besser geschützt, wenn sie auf privaten Servern liegen, die aufgrund begrenzter Ressourcen und knapper Budgets in vielen Unternehmen nicht mit derselben Sorgfalt und Professionalität gewartet werden können? In einigen Branchen dürfen Daten aus rechtlichen Gründen nicht in die Cloud, aber allen anderen Unternehmen raten wir dazu, Cloud-Systeme, wie die SAP S/4HANA Private oder Public Cloud in Erwägung zu ziehen.”

Peter Vandrey: „Wir hatten schon Fälle, in denen unsere Kunden ein halbes Jahr offline waren, weil sie gehackt und ihre Daten verschlüsselt wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dass das mit einem professionellen Cloud-Rechenzentrum passiert, ist deutlich geringer. Diese Rechenzentren sind zertifiziert und arbeiten nach gewissen Standards. Es hat in den letzten Jahren einen deutlichen Mindshift gegeben. Einige Softwarehersteller und auch Kunden, die die Cloud am Anfang pauschal abgelehnt haben, öffnen sich den neuen Möglichkeiten immer mehr. Natürlich haben Datensicherheit und Datenschutz dabei weiterhin höchste Priorität.”

Die Bereitstellungsoptionen von SAP S/4HANADie Bereitstellungsoptionen von SAP S/4HANA

Für welche Unternehmen ist welche SAP S/4HANA Bereitstellungsoption am besten geeignet?

Peter Vandrey: „Je kleiner das Unternehmen, desto eher lohnt sich die SAP S/4HANA Public Cloud. Gerade für Unternehmen mit wenigen Mitarbeitenden in der IT lohnt sich das externe Cloud-Hosting und die schon vorhandenen Funktionalitäten der Public Cloud sind praktisch. Außerdem ist es das kostengünstigste Setup von SAP S/4HANA. Eine On-Premise-Installation und die Private Cloud sind deutlich aufwändiger in der Einrichtung und der Instandhaltung, bieten aber andererseits mehr Möglichkeiten. Es kommt also ganz auf das Unternehmen und die Unternehmensgröße an. Viele Kunden greifen auf hybride Szenarien zurück. Das Mutterunternehmen nutzt z. B. die Private Cloud; beim zugekauften Tochterunternehmen oder an einem anderen Standort wird die Public Cloud eingeführt. Das wird auch Two-Tier-Ansatz genannt.”

Warum eignen sich hybride Szenarien für den Umstieg in die Cloud?

Benjamin Zorn: „Gerade hybride Szenarien sind für uns der beste Weg, um individuelle Kundenanforderungen zu lösen und nach und nach immer mehr Cloud-Funktionalitäten zu nutzen. So können Tochterunternehmen, einzelne Standorte oder Unternehmensbereiche, wie zum Beispiel das Engineering, nach und nach den Regler in Richtung Cloud-Applikationen schieben, während das Mutterunternehmen oder der klassische ERP-Bereich noch die ursprüngliche On-Premise-Installation nutzt. Vor allem fertigende Unternehmen haben individuelle Setups und Anpassungen, die sinnvoll in der neuen Umgebung adaptiert werden sollen – und mit dem hybriden Ansatz auch können. So behalten Unternehmen ihre Innovationskraft und nutzen die Möglichkeiten der neuesten Technologie, während sie funktionierende Prozesse weiterführen.”

Peter Vandrey: „In den letzten etwa 20 Jahren haben wir On-Premise eine große Bandbreite an Funktionalitäten für das Engineering aufgebaut, das lässt sich selbstverständlich nicht von heute auf morgen 1:1 in die Cloud übertragen. Bestimmte Cloud-Lösungen sind vielleicht erst einmal für kleinere Kunden interessant. Aber auch für Kunden, die schon heute den Schritt in die Cloud gehen möchten, bieten wir Funktionalitäten, die sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln werden. Wichtig ist, dass die Konstruktionsabteilung weiter die bewährten Lösungen einsetzen kann und dass Daten sicher mit SAP S/4HANA ausgetauscht werden. Gerade mit den hybriden Szenarien bieten wir das Beste aus beiden Welten und die ausgelagerten Einführungsprojekte sind für viele Unternehmen preislich und technologisch interessant.”

Welche PLM-Funktionalität benötige ich als fertigendes Unternehmen überhaupt?

Peter Vandrey: „Die Anforderung an PLM ergeben sich in der Regel zuerst aus dem Engineering heraus. Die Konstruktionsabteilung arbeitet mit einem oder mehreren CAD-Systemen, die PLM-Umgebung muss mit den benötigten Funktionalitäten kompatibel sein, zum Beispiel im Bereich Datenwiederverwendung oder in der Zusammenarbeit mit Fertigung und Service. Es sind viele Bausteine, die dabei zusammenspielen müssen. Genau an dieser Stelle ist es wichtig, sich Beratung zu holen, z. B. von erfahrenden Softwareherstellern und Beratungshäusern wie Cideon oder DSC, die seit Jahrzehnten mit der SAP zusammenarbeiten.”

Welche PLM-Funktionen bietet SAP Integrated Product Development mit SAP BTP im Hintergrund heute schon?

Benjamin Zorn: „Mit SAP Integrated Product Development wird PLM weitergedacht. Früher hat SAP sich stark auf die Verwaltung von Produktdaten konzentriert, und hat damit einen Fokus auf PDM gelegt, mit SAP Integrated Product Development rücken weitere PLM-Funktionalitäten stärker in den Vordergrund. Damit werden Bereiche wie Ideenmanagement, Innovationsmanagement, Requirements Management und vieles mehr neu erschlossen. SAP Integrated Product Development ist eine native Cloud-Lösung, in der Unternehmen außerdem einen geschützten Raum haben, um mit Externen zu kollaborieren. Vor allem im Two-Tier-Ansatz, wenn ein Unternehmen mehr als eine Bereitstellungsoption von SAP S/4HANA nutzt, bietet diese Lösung perspektivisch Möglichkeiten der erweiterten Nutzung von PLM-Funktionalitäten.”

Whitepaper Teaser SAP PLM

Welche Rolle spielt SAP ECTR im Kontext der neuen Entwicklungen wie SAP Integrated Product Development und SAP BTP?

Benjamin Zorn: „Gerade für die hybriden Szenarien ist SAP Engineering Control Center (SAP ECTR) die absolute Schlüsselkomponente, weil wir darüber die klassische mit der Cloud-nativen Welt verbinden. SAP ECTR kann Funktionalitäten aus SAP Integrated Product Development anzeigen. Für Anwendende gibt es also keine Veränderungen, sie können weiter in ihrer gewohnten Umgebung arbeiten und trotzdem Cloud-Funktionalitäten wie z. B. das Requirements Management nutzen.”

Peter Vandrey: „Auch für Kunden, die nicht mehr SAP Graphical User Interface (SAP GUI), sondern Fiori, nutzen möchten, bietet SAP ECTR die Möglichkeit, die Absprünge entsprechend zu steuern. Aus SAP ECTR heraus kann so die Fiori Oberfläche oder auch SAP Integrated Product Development angesteuert werden. Diese Verbindungen werden immer mehr geschaffen, sodass Kunden auf moderne User Interfaces mit den neuesten Möglichkeiten umsteigen können.”

Welche Rolle spielt CAD Desktop noch, auf welches Produkt können Kunden umstellen und wie gelingt dieser Umstieg?

Peter Vandrey: „CAD Desktop spielt keine relevante Rolle mehr, auch dieses Produkt wird ab spätestens 2033 nicht mehr unterstützt. Kunden, die aktuell noch SAP R/3 und CAD Desktop nutzen und überlegen, wie die Umstellung funktionieren kann, sollten auf SAP ECTR umsteigen. SAP ECTR funktioniert auch noch mit SAP R/3, sodass die eigentliche ERP-Umstellung erleichtert wird, wenn Unternehmen vorher von CAD Desktop auf SAP ECTR gewechselt sind. Dabei sollten Kunden unbedingt das Thema Datenmigration im Hinterkopf haben. Kunden, die von CAD Desktop auf SAP ECTR umsteigen, müssen lediglich kleinere Anpassungen wie z. B. eine Datenanreicherung durchführen. Prinzipiell sind die Daten aus CAD Desktop aber nutzbar und es ist einfacher, im SAP Universum zu bleiben, als auf eine Lösung eines anderen Herstellers umzusteigen. Hier kämen dann sämtliche Aspekte eines Datenexports aus SAP und eines kompletten Imports sämtlicher CAD-Daten in das neue (Nicht SAP) System hinzu. Wir sehen tagtäglich, dass gerade der Datenimport einer der aufwändigsten und arbeitsintensivsten Projektschritte darstellt. Dies und die Umgewöhnung für alle Beteiligten im Datenhandling spart man sich mit SAP ECTR.”

Benjamin Zorn: „SAP ECTR ist für CAD Desktop Nutzer das Produkt, das von Haus aus die meisten Anforderungen erfüllt. Es ist also naheliegend, von CAD Desktop auf SAP ECTR umzusteigen.”

Wie sieht die Partnerschaft zwischen Cideon und DSC im Alltag und in Kundenprojekten aus?

Peter Vandrey: „Cideon und DSC arbeiten schon sehr lange zusammen. Wir haben bereits Ende der 1990er und in den frühen 2000ern in Kundenprojekten zusammengearbeitet. Mit der Einführung von SAP ECTR ist dann die offizielle Partnerschaft entstanden. Diese Kooperation hat viele Vorteile für unsere Kunden. Wir können gemeinsam, und mithilfe weiterer Partner, eine große technologischen Bandbreite abdecken. Mit dieser Kompetenz gehen wir auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden ein und gestalten die Systemlandschaft entsprechend. Die Anforderungen des Kunden sind entscheidend, nicht die Technologie. Wir arbeiten sehr eng zusammen, entwickeln gemeinsam Ideen, die dann zu Produkten und Lösungen werden, die den produzierenden Unternehmen einen echten Mehrwert bieten.”

Benjamin Zorn: „Mit dem umfangreichen Know-how im CAD-Bereich und vieler unterschiedlicher CAD-Systeme ist Cideon sehr gut aufgestellt. Wir von der DSC liefern mit SAP ECTR die strategische Integrationsplattform, gewissermaßen den Unterbau, auf den verschiedene Komponenten aufgebaut werden können. Der Austausch in Kundenprojekten ist nahtlos, die Kundenanforderung steht zu jeder Zeit im Vordergrund und wir sind ein eingespieltes Team. Im Partnernetzwerk ist bekannt, dass wir in den Bereichen Engineering, Fertigung und Mechatronik eine große Bandbreite abdecken können.”

Wir haben kürzlich einen gemeinsamen Webcast zum Thema PLM in SAP veröffentlicht. Warum sollte man diesen unbedingt ansehen?

Benjamin Zorn: „Wir geben im Webcast einen umfassenden Überblick über die aktuellen und zukünftigen Möglichkeiten rund um das Thema PLM im SAP Umfeld. Es ist als SAP Kunde enorm wichtig, zu lernen, was im PLM-Bereich der SAP mittlerweile alles möglich ist. Wir geben eine Einordnung, damit Kunden besser einschätzen können, auf welchem Stand sie sich technologisch aktuell befinden. Viele Unternehmen stehen vor einem Wechsel auf SAP S/4HANA und sollten alle PLM-Optionen kennen, um heute und in Zukunft informierte Entscheidung treffen zu können.

Peter Vandrey: „Der Webcast bietet eine umfangreiche und übersichtliche Einordnung in nur 45 Minuten. Wer darüber hinaus mehr über die PLM-Möglichen in SAP wissen möchte, kann uns gerne auch gerne direkt kontaktieren.”


Sehen Sie sich jetzt unseren kostenfreien Webcast “Quo vadis, PLM in SAP? Orientierung finden, Lösungen nutzen: So profitieren Sie vom PLM-Portfolio der SAP” an und erfahren Sie alles, was Sie über SAP PLM wissen müssen: